Theodor Kramer Gesellschaft

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Sonja Pleßl
Chronik eines Umbruchs. Eiserner Vorhang. Verein für weltweite Nothilfe


August 2023, Dallein, Waldviertel
Dorffest in Dallein, in dem ich aufgewachsen bin, einem Dorf, 14 Kilometer von Schaffa entfernt, dem ersten Dorf im Nachbarland Tschechien. Ich treffe zwei Frauen in meinem Alter, Mitte vierzig, deren Oma in Langau wohnt, dem österreichischen Nachbardorf von Schaffa. Erst vor einer Woche spazierten mein Mann Konstantin Kaiser und ich über diese Grenze, denn unsere Tochter Taïna wollte mit dem Rad fahren und das geht auf der Landstraße zwischen Langau und Schaffa gut. In Schaffa lockten außerdem zahlreiche Schwäne am Dorfteich, die dort mehr Ruhe haben als in Geras. Ein kleines Hinweisschild im Wald zwischen Tschechien und Österreich: das Grenzzeichen. Ich erzählte Taïna, dass hier der Eiserne Vorhang war. In diesem Wald haben meine Eltern nie Schwammerl gesucht. Wie soll sich ein achtjähriges Mädchen, das am Radl auf einer Landstraße Ausschau nach Brombeeren hält, vorstellen, dass Menschen in einem ganzen Land eingesperrt waren? Beim Zurückfahren fragte sie mich, ob auf den Feldern so nah an der Grenze jemand gearbeitet hat. Ich weiß es nicht. Also frage ich beim Dorffest die beiden Frauen, deren Oma Bäuerin war. Das wissen sie auch nicht, aber an eines können sie sich gut erinnern: dass die Oma Angst hatte und ihren Eltern einschärfte, die Grenze im Auge zu behalten. „Nicht zu nahe!“ „Wie war das für Euch?“, frage ich, denn für mich, als ich im Alter meiner Tochter war, endete hinter Langau nicht nur Österreich, sondern die Welt. Dahinter war nichts. Die beiden Frauen sagen: „Genauso war es für uns auch. Dahinter war es aus.“
Unser Kindheitsgefühl entspricht dem, was die estnische Premierministerin Kaja Kallas auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2023 ausdrückte: „Und Ihr habt uns nicht vermisst.“

Kaja Kallas ist in unserem Alter. Als sie ein vierzehnjähriges Mädchen war, rollten russische Panzer nach Estland. Das war 1991, das Jahr, in dem ich in der „Neigungsgruppe“ der Schule eine Woche vor Ferienbeginn in Langau reiten lernte und an der Spitze der Sowjetunion Gorbatschow stand. Kaja Kallas war bei ihren Großeltern am Land und hatte Todesangst um ihren Vater. Dass ihn die Russen verschleppen würden. Kaja Kallas Mama ist zwei Jahre jünger als mein Mann und als Baby mit ihrer Mutter nach Sibirien deportiert worden: zehn Jahre Sibirien. Dass das Baby überlebte: ein Wunder. Verbrechen der Familie: Der Großvater hatte für ein unabhängiges Estland gekämpft.

Der Unterschied zwischen den ZeitzeugInnen von vor und hinter dem Eisernen Vorhang ist, dass uns in Österreich, die wir davor waren, etwas geblieben ist: Der Dünkel, wir wären mehr wert als die, die unfrei waren. Als wären wir dadurch, dass wir nicht in den „sowjetischen Einflussbereich“ gerieten, auf eine geheimnisvolle Weise intelligenter gewesen.

Schaffa ist mit dem Rad eine halbe Stunde von Dallein entfernt. Den jüdischen Friedhof besuchte ich das erste Mal als Studentin Anfang der 2000er Jahre, mit Robert Schindels 1995 erschienenem Büchlein im Rucksack „Gott schütz uns vor den guten Menschen. Jüdisches Gedächtnis – Auskunftsbüro der Angst“ radelte ich von Dallein nach Goggitsch (2,6 km), über den Feldweg nach Geras (2 km), nach Langau (5,3 km) und Schaffa (4 km). Eine Tafel am Friedhof informiert über die Geschichte. Es war ein katholischer Pfarrer, Pater Andreas aus Langau, der sich für die Restauration und die Pflege des Friedhofs eingesetzt, ein Buch über Schaffa geschrieben und Begegnungsmöglichkeiten für österreichische und tschechische Jugendliche geschaffen hat. Heute hilft er der Ukraine. Ich weiß noch genau, wie ich mir den Text auf der Tafel „kritisch“ durchlas und dachte: religiös – antikommunistisch – eh klar!
Schindel schreibt: „Zwei deutsche Dichter ziehn mich weg von Majakowski. […] Von Schiller lerne ich das Pathoswort Freiheit neu […] Mir geht es an diesem, seinem Geburtstag [des Friedens], um das Problem der Ideologie-Infektion. […] Die Ideologie-Infektion hatte Blutgesauf zur Folge, und in diesem Jahrhundert standen die großen und kleinen Führer zuhauf an der roten Tränke.“[1] Vor 1968 trat Schindel aus der kommunistischen Partei aus. Aber erst in den 70er Jahren zog er nach einer intensiven Auseinandersetzung mit den Moskauer Schauprozessen endgültig seine Schlüsse.
Rund um das Jahr 1989, ich war noch in der Hauptschule, erzählte mir mein Opa, dass seine Mutter einen tschechischen Freund hatte, damals, in der Zwischenkriegszeit, als Znaim in Tschechien die nächstgelegene schöne, große Stadt war, in die man sich begab, wenn es galt, etwas Besonderes einzukaufen. Urgroßmutter war eine Frau, die bis ins hohe Alter Gedichte aufsagen konnte, ihr Lehrer hatte sogar bei ihren Eltern vorgesprochen, damit sie weiter zur Schule gehen und Lehrerin werden kann. „Die Eltern“ – beide oder bloß der Vater? - lehnten ab, Urgroßmutter heiratete schließlich einen Mann aus der Gegend, der sich eine Tischlerwerkstatt aufbaute. (Sie war so sparsam, heizte kaum ein, „das zahlt sich nicht aus“, sagte sie, sodass ihr Ehemann im Winter die Mütze nicht abnahm, wenn er zum Mittagessen ins Haus kam.) Urgroßmutter führte die kleine Landwirtschaft ihrer Eltern weiter. Gern war sie Bäuerin, hieß es, jeden Sonntag sammelte sie am Nachhauseweg von der Messe Pferdemist zum Düngen für den Gemüsegarten. Ich glaube, sie wäre tatsächlich beides gern gewesen: Lehrerin und am Bauernhof. Die Briefe, die sie und ihr tschechischer Freund einander geschrieben hatten, sind leider nicht mehr erhalten. Ihre Tochter hatte nach Wien geheiratet, in der kleinen Gemeindebauwohnung war wenig Platz, die Schachtel mit den Briefen wurde entsorgt. Für mich war die Geschichte spannend, aber irreal: Das Damals lag hinter der mir denkbaren Zeit.
Über ihren tschechischen Ex-Freund weiß ich leider: nichts.
Gerd Koenen, einer der besten Kenner der Geschichte des Kommunismus und Russlands, der mit dem ukrainischen jüdischen Schriftsteller Lew Kopelew zusammenarbeitete, schreibt in seinem 2023 erschienenen Buch „Im Widerschein des Krieges. Nachdenken über Russland“ über Europa: „Menschen und Länder, die nie derart hätten getrennt werden dürfen und können.“[2]

Viel wäre in Österreich gewonnen, spürten wir den Schmerz des Auseinandergerissenwordenseins der Länder und Menschen Europas.

Ich habe zwei Mal kommunistisch gewählt, ohne mich für die Verbrechen des Sowjetkommunismus zu interessieren, vom „Das Schwarzbuch des Kommunismus“ des französischen Historikers Stéphane Courtois hatte ich gehört, es aber nie besorgt (inzwischen vergriffen), ebenso wenig wie Gerd Koenens „Utopie der Säuberung – Was war der Kommunismus?“ Dass die Europäische Union 2009 den 23. August als Europäischen Tag des Gedenkens an die Opfer totalitärer und autoritärer Regime ins Leben gerufen hat, habe ich auf der Universität bei einer Professorin gehört, die sich für die Dissidentenbewegungen interessierte und von der Menschenkette in den baltischen Ländern zur Erringung ihrer Unabhängigkeit erzählte, aber der Tag entschwand sogleich wieder aus meinem Gedächtnis. Ich wiederentdeckte ihn 2023. Dabei ist der Europäische Tag des Gedenkens an die Opfer totalitärer und autoritärer Regime auch eine Anerkennung von Widerstand. Verbunden mit dem Gedenktag ist die Förderung von Projekten durch die EU, die Licht in die Ursachen totalitärer Regime bringen: „[I]n den Blick genommen werden dabei insbesondere der Nationalsozialismus, aber auch Faschismus, Stalinismus und totalitäre kommunistische Regime.“[3]
Das ist der kleinste gemeinsame Nenner, der das „Friedensprojekt“ Europa zusammenhält: Menschenrechte sind unteilbar und gelten auch für die Menschen, die einst hinter dem Eisernen Vorhang eingesperrt waren.

„Révolution documentaire“ nennt Stéphane Courtois die Zeit seit der Aktenöffnung, ermöglicht durch den Zusammenbruch der Sowjetunion. In der Russischen Föderation war diese Zeit eine kurze, Courtois, der Anfang der 90er in den Moskauer Archiven saß, bemerkte bereits einige Jahre später, dass er in Russland unter Beobachtung stand und reiste nicht mehr in die Russische Föderation. Unter Putin wurde die Arbeit in den Archiven schwieriger, inzwischen unmöglich. Memorial, das Helsinki Komitee, das Sacharow Zentrum und Golos, die Bewegung zum Schutz der Wahlrechte, sind zerschlagen; mit dem unwiederbringlichen Verlust von Akten muss gerechnet werden. Archivarbeit ist ebenso unmöglich oder lebensgefährlich geworden in: Belarus, Tschetschenien, Transnistrien, und dem russisch besetzten Teil Georgiens. In den Ländern aber, wo der Kreml nicht mehr und nicht wieder seinen Stiefel hingesetzt hat, sind wissenschaftliche Arbeiten möglich geworden, die drei Generationen lang – Großeltern – Eltern – Kinder – unvorstellbar waren. Die „révolution documentaire“ bringt Vergessenes ans Licht, aber vor allem Beweise gegen das Lügengespinst.

Ich kann kaum lesen und schreibe auf einfache Art, aber was ich schreibe, ist wahr, und die Wahrheit wird das Böse besiegen, sagt man. Petro Drobylko, Provinz Sumy, 1933[4]

„Unter der Sonne der Großen Sozialistischen Revolution findet ein erstaunlich schnelles, nie zuvor gesehenes Bevölkerungswachstum statt“, schreibt Stalin 1937, als der sowjetischen Volkszählung acht Millionen Menschen fehlen[5], worauf sie nie veröffentlicht, sondern der Direktor des Volkszählungsamtes erschossen wurde und mit ihm seine engsten Kollegen. Eine in Gang gesetzte Repressionswelle setzte sich in der Ukraine, in Kasachstan, in den russischen Provinzen bis nach unten fort, Hunderte von kleinen Volkszählungsbeamten werden inhaftiert, manche hingerichtet; Menschen, die die Zahlen auch nur gesehen haben könnten, werden verfolgt. Der Herausgeber von „Sowjetstatistik“ in Kiew, Mychajlo Awdijenko, wird im September 1937 hingerichtet.[6]
1956 verurteilte Chruschtschow in seiner berühmten „Geheimrede“ den stalinistischen Personenkult und den Großen Terror von 1937/1938. Über den Holodomor schwieg er. Sechs Jahre zuvor hatte Chruschtschow die ukrainische KP übernommen.[7]
Das tödlichste Jahr des Holodomor war 1933: 90 Prozent der Hungertoten in der Ukraine starben in diesem Jahr. Die tödlichsten Monate des Jahres 1933: Mai, Juni, Juli. Das sind die Monate, in denen die Ukraine blüht, Kirschbäume, Marillenbäume, Paradeiser, Wassermelonen, Getreidefelder. Zwei Drittel der Böden der Ukraine sind Schwarzerde, die fruchtbarste Erde überhaupt.
Die durchschnittliche Lebenserwartung vor 1932 betrug bei Frauen auf dem Land 45 bis 48 Jahre, (in der Stadt 47 bis 52 Jahre), bei Männern 42 bis 44 Jahre (in der Stadt 40 bis 46). Die 1932 Geborenen hatten nur mehr eine durchschnittliche Lebenserwartung, egal ob in der Stadt oder am Land, von 30 Jahren bei Männern und 40 Jahren bei Frauen.
Für die 1933 Geborenen hatten Frauen und Männer diese Lebenserwartung:
Frauen – 8 Jahre, Männer – 5 Jahre.[8]

Als „Kulaken“ wurden zuerst jene Bauern bezeichnet, die zeitweise Arbeiter hatten oder Lagerräume mieteten. Dann wurden Podkulatschniki[9] erfunden, arme Bauern mit verwandtschaftlichen, nachbarschaftlichen oder wirtschaftlichen Verbindungen zu Menschen, die in die „Klasse“ der Kulaken fielen. Dann wurden die mit „Kulakencharakter“ erfunden (zB verarmte Kinder). Dann waren alle, die sich wegen Kritik, Murren oder ausgesprochener Wahrheit nicht zur Umerziehung eigneten, Kulakenpack.
Zuerst wurden Getreideabgabequoten festgesetzt, die unmöglich zu erfüllen waren.
Dann wurden Strafzahlungen verlangt und Kredite zurückgefordert. In den Kolchosen wurde ein totales Abhängigkeitssystem eingeführt: Geld konnte keines verdient werden, die Kolchosleiter gaben Lebensmittel und Güter aus, je nach Qualität und Quantität, die der getanen Arbeit beigemessen wurde. Darüber hinaus wurden die Menschen an ihren Wohnort gebunden.
Zuerst wurde alles Getreide genommen. Dann das Viehfutter. Dann das Saagut. Am 7. August 1932 erließ Stalin ein Gesetz, dass öffentliches Eigentum als „heilig und unantastbar“ definierte, dazu zählten Feldfrüchte usw., als Strafmaßnahme für Diebstahl sei „das höchste Maß sozialer Verteidigung anzuwenden: Erschießung [...][10] Rund um die Felder wurden Wachtürme errichtet. Kleine Kinder, fünf, acht, zehnjährige, die auf den abgeernteten Feldern ihrer Eltern liegen gebliebene Ähren oder Erdäpfel aufsammelten, wurden geprügelt und davongejagt, wenn sie Glück hatten, oder umgebracht. In der ganzen UdSSR warnten Geheimpolizisten vor der „neuen Taktik der Kulaken“, zu der jetzt „fingierte“ Klagen über den Hunger gehörten, es wurde angewiesen: „Wo ein Fall von fingiertem Hunger ans Licht kommt, sind die Täter als konterrevolutionäre Elemente anzusehen.“[11] Distriktfunktionären, die nicht genug eintrieben, wurde eine „rechte Haltung“ vorgeworfen.[12] Das schon aus den Getreideeintreibungen von 1919-1921 bekannte System der „Schwarzen Listen“ wurde ab 1932 wieder eingesetzt, im November ausgeweitet. Ab da umfasste es Dörfer und Kolchosen in fast jedem ukrainischen Distrikt, mindestens 79 Distrikte standen vollständig auf der schwarzen Liste. Schwarze Liste bedeutete: Totales Handelsverbot, Säuberung. „Im Gegensatz zu Russland und Weißrussland, wo nur Getreideproduzenten auf schwarzen Listen landeten, konnte es in der Ukraine fast jede Körperschaft treffen […] Das betraf nicht nur Bauern, sondern auch Handwerker, Krankenschwestern, Lehrer, Angestellte, Beamte und alle.“ Die Gartenparzellen der Bergleute im Donbas wurden beschlagnahmt.[13] Alle, die noch lebten, gerieten unter Verdacht, denn wer lebte, hatte zu essen. Eine Brigade, die in der Provinz Tscherkasy ein Haus nach dem anderen durchsuchte, fragte in einem: „Wie ist es möglich, dass noch niemand in dieser Familie gestorben ist?“[14] Die Sprache wurde immer brutaler: „Warum seid ihr noch am Leben? Warum seid ihr noch nicht tot umgefallen? Warum lebt ihr überhaupt noch?[15] Dezember 1932: Einführung eines internen Passregimes. Jeder, der in der Stadt wohnte, brauchte einen besonderen Ausweis als Aufenthaltsgenehmigung. Bauern explizit davon ausgeschlossen. Im Jänner 1933 dann der Schlag gegen die Flüchtenden: Die Grenzen der Ukraine werden geschlossen, „mobile Patrouillen“ eingerichtet, „Fluchtorganisierer“ enttarnt, Sperrtrupps riegeln die Orte ab. Eintreibungsbrigaden töten alle Hunde in den Dörfern. Dann reißen sie das Obst und Gemüse aus den Gärten. Mit Eisenstangen bewaffnet durchsuchen sie alles nach Essbarem, unter Dielen, in Wiegen, unter frischen Erdgruben. Frauenbrigaden kommen und greifen den Bäuerinnen in den Ausschnitt, und als sie bemerken, dass in den Schnullern der Babys Brei ist, reißen sie sie ihnen aus den Mündern. Sie schleudern die Töpfe vom Herd, amüsieren sich über die weinenden Kinder, die am Boden zum Zerbrochenen kriechen. Karbol wird auf die Abfälle hinter den Fabriken und Schlachthäusern geschüttet, um sie zu vernichten, die Menschen essen trotzdem und werden krank, manche überleben. Wälder und Teiche werden totenstill, alles, was gegessen werden kann, ist gegessen: Katzen, Nagetiere, Vögel, Froschlaich. (Aufgrund der fehlenden Katzen und Vögel sollte sich später eine Mäuseplage entwickeln.) Als die Brigadisten sehen, dass die Menschen die jungen Wurzeln von Schilf essen, brennen sie es nieder.[16]
Mitten im Winter werden Menschen nackt aus ihren Häusern geworfen und die Häuser zerstört. Manche werden wahnsinnig vor Hunger, manche wahnsinnig vor rasender Trauer. Einer Mutter sterben binnen drei Tagen alle sechs Kinder. Sie hört auf, Kleider zu tragen und sagt jedem, der „rote Besen“ habe ihre Familie weggebracht.[17] Im Frühjahr 1933 ist der französische Schriftsteller Georges Simenon in Odessa. Er hört einen Mann über die „Unglücklichen“ sagen: „Das sind Kulaken, Bauern, die sich nicht dem Regime angepasst haben. … Denen bleibt nichts als zu sterben.“ Sie würden bald durch Traktoren ersetzt werden. Für so viele nutzlose Leute sei kein Platz.[18]
Dann werden die Städte von denen „gesäubert“, die es vor oder trotz der Sperrtrupps geschafft hatten, vom Land in eine Stadt zu kommen: „Die Polizei holte Dorfbewohner aus diesen Schlangen [Brotschlangen], lud sie auf Lastwagen und fuhr sie aus der Stadt.“ Die Erschöpften verhungern irgendwo an den Straßen.[19]
Während des Hungermordens an den Bauern gingen die Deportationen weiter – es war die Zeit des Hungermordens, in der sich das Zwangsarbeitssystem des GULAG verdoppelte - (manche Bauern haben überlebt, weil sie deportiert wurden) - und die sowjetische Geheimpolizei vernichtete die ukrainische Elite: Auf Schauprozesse folgte Deportation und Hinrichtung von SchriftstellerInnen, MalerInnen, LehrerInnen, Priester, Architekten, Sprachwissenschaftler, und die „Säuberung“ der ukrainischen KP. Viele Rotarmisten aus der Ukraine erhielten 1933 keine Briefe von Zuhause (abgefangen, vernichtet, zurückgehalten). Es war, als wären ihre Familien plötzlich weg. Öffentliche Trauer war unmöglich, über den Holodomor durfte nicht gesprochen werden. Es gab keine Grabsteine, die meisten Kirchen waren zerstört. Das Trauma der Überlebenden: Ein schwarzes Loch, in dem Menschen verschwunden waren.
Während des Holodomor exportierte die Sowjetunion neben all dem Getreide aus der Ukraine außerdem weitere Lebensmittel für Technik aus dem Ausland: Allein aus der Ukraine 3500 Tonnen Butter und 586 Tonnen Speck im Jahr 1932. Noch mehr im tödlichsten Jahr des Holodomor 1933: 5433 Tonnen Butter, 1037 Tonnen Speck. In beiden Jahren exportierte die Sowjetunion außerdem: Eier, Geflügel, Äpfel, Nüsse, Honig, Marmelade, Fisch-, Fleisch und Gemüsekonserven.[20] In diesen Jahren verhungerten in der Ukraine mehr als 3,9 Millionen Menschen, davon 3,5 Millionen am Land. Dazu kamen 600 000 verlorene Geburten - Schwangere, die verhungerten. Für die Sowjetunion insgesamt geht Applebaum von mindestens 5 Millionen Menschen aus.[21]

Anna, die Schwester meines Großvaters mütterlicherseits, hütete als Mädchen eine Kuh. Ihre Mutter – deren Lehrer wollte, dass sie weiter lernen und Lehrerin werden könnte – hatte neben der Kuh ein paar Schweine und einen Hasenstall, dazu ein paar Felder, wo sie Zuckerrüben und Erdäpfel pflanzte. Im Winter half sie in der Tischlerwerkstatt ihres Mannes. Annas beste Freundin war die Tochter des Bauern mit dem größten Haus, sie hütete zehn Kühe. Eines Tages missverstanden sie etwas und ließen ihre Kühe auf einem Feld grasen, was sie nicht hätten tun dürfen. Annas Freundin fürchtete sich danach am meisten vor einer Strafe: „Du hast ja nur eine Kuh, aber ich hab zehn!“
„Wir waren ja arm“, sagte Anna zu mir und Konstantin Kaiser, als wir vor ein paar Jahren in ihrem Garten saßen.
Mein Opa väterlicherseits, der Heimatdichter, der eigentlich studieren wollte, aber dessen Vater es ihm als einzigen Bauernsohn verboten hatte, war nie gern Bauer gewesen. Trotzdem hat er, als er mir seine Schwarz-Weiß-Fotografien zeigte, am liebevollsten von Liesl gesprochen. Liesl war das Arbeitspferd. Als er sich einen Traktor kaufte, musste er Liesl verkaufen, der Betrieb war verschuldet. Das Foto von der „letzten Ausfahrt mit Liesl“ ist eines der schönsten, Opa wirkt darauf zugänglich. Ich glaube, es ist die einzige Fotografie, die nicht gestellt ist.
Ich weiß nicht, wie viele Tiere seine Eltern am Hof gehabt haben, jedenfalls Kühe, Schweine, Hühner und das Pferd.
Lebten sie 1932 und 1933 in der Ukraine,wären sie allesamt als Kulaken bezeichnet worden und vermutlich umgekommen.

In der Sowjetukraine konnte man nicht nicht davon wissen. „In der Zentral- und Ostukraine, dank ihrer fruchtbaren Schwarzböden und reichen Ernten als ‚Kornkammer Europas‘ bekannt“, war „zum ersten Mal seit Jahrhunderten“ eine Hungersnot ausgebrochen.[22] Die organisierte Verleugnung außerhalb und innerhalb der Sowjetunion aber hatte bereits eingesetzt, bevor die Todesrate am höchsten war. Wie 2022 und 2023 spielten auch damals Eitelkeit und Bestechlichkeit von Leuten eine Rolle, die berühmt waren, wie der 1932 mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnete britische Journalist Walter Duranty, dem Stalin Exklusivinterviews gewährte. Sein verlogener Artikel vom 31.3.1933 in der „New York Times“ beeinflusste Roosevelt. Duranty „kultivierte die Rolle des nüchternen und skeptischen ‚Realisten‘, der beide Seiten einer Geschichte hören wollte.“[23] Die zuvor erschienenen Augenzeugenberichte des jungen walisischen Journalisten Gareth Jones, der bei Charkiw heimlich durch 20 Dörfer und Kolchosen zu Fuß gewandert war, oder von der in Polen geborenen Kanadierin Rhea Clyman hätten große renommierte Verteidiger gebraucht, die sie nicht bekamen.
Die europäischen Außenministerien waren trotzdem bestens informiert. Der italienische Konsul aus Charkiw, der deutsche Konsul, polnische Diplomaten berichteten wahrheitsgetreu, ebenso britische. Der Vatikan wusste aufgrund der Fotos Bescheid, die der österreichische Ingenieur Alexander Wienerberger heimlich in Charkiw 1933 aufgenommen hatte, als rund um ihn herum die Menschen vor Hunger zu sterben begannen. Den Vatikan erreichten auch aus der Ukraine geschmuggelte Briefe, wie jener anonyme: „Man muss hier leben, um das Ausmaß der Katastrophe zu verstehen und zu glauben.“[24]
Alexander Wienerbergers Fotos, die er mit der Diplomatenpost aus der Sowjetunion schmuggelte, können im Diözesanarchiv in Wien angesehen werden. Ein Foto, das ich, nachdem ich es zum ersten Mal gesehen habe, nicht mehr werde vergessen können: drei Frauen auf einer Brache, Frühjahr 1933, zwei Frauen liegen, eine davon ist älter. Eine sitzt. Die zweite Liegende ist ein minderjähriges Mädchen oder eine junge Frau, sie hat ihren Kopf in den Schoß der Sitzenden gelegt. Diese ist über sie gebeugt und streicht mit einer Hand über ihren Kopf.[25]
International wurde geschwiegen. Der Vatikan hatte Angst, von Hitlers Propaganda missbraucht zu werden. Die Berichte der polnischen Diplomaten waren so erschütternd, dass sie deswegen in Zweifel gezogen wurden. Manche Regierungen wollten die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Sowjetunion nicht gefährden, andere waren an der kommunistischen Ideologie interessiert und wollten glauben statt wissen.
Das Ende des Zweiten Weltkriegs brachte eine Sprachänderung durch den Kreml mit sich: In der Sowjetukraine waren Kritiker der UdSSR nun „Faschisten“ oder „Nazis.“ Jede Erwähnung der Hungersnot: „Hitler-Propaganda.“

Jeder zehnte Mensch in Kanada hat ukrainische Vorfahren, erfuhr ich am „Folklorama“ Festival in Winnipeg, wo mir schöne Trachten mit Blumen aufgefallen waren.
Als ich mit meinem damaligen Lebensgefährten, einem Fernfahrer, 2006 nach Kanada ausgewandert war, lebten wir in Winnipeg, der Hauptstadt Manitobas, wo sich die Spedition befand, für die er sich beworben hatte. Bevor wir eine eigene Wohnung fanden, konnten wir für ein paar Wochen bei einem Bekannten am Land in der Nähe einer Hutterer-Siedlung wohnen, deren Vorfahren ursprünglich aus Tirol stammten, einem Bauern aus dem Waldviertel, der sich in Kanada eine Farm gekauft hatte. Bei einem Spaziergang erzählte er uns von der fruchtbaren Schwarzerde in dieser zentralen Prairieprovinz Kanadas. Ich kann mich jetzt noch an seinen Gesichtsausdruck purer Begeisterung erinnern: „Da braucht man Pflugscharen nicht wechseln!“ Als Kind hatte ich einmal meinem Vater beim Wechseln zugeschaut, ich wusste, dass Pflugscharen teuer sind (der beste Stahl ist der Elverum Stahl aus Schweden). Mit meinen Eltern und Brüdern hatte ich Steine von unseren Feldern geklaubt, damit die Maschinen geschont werden und die Saat besser aufgehen kann. An der Uni in Winnipeg lernte ich eine Studentin kennen, die sich für amnesty international engagierte. Wir knüpften Freundschaft und sie erzählte mir von ihren jüdischen Vorfahren aus der Ukraine, die aus der Nähe von Brody stammten. Sie wollte sich in naher Zukunft auf Spurensuche in die Ukraine begeben. Wir schrieben damals einen Satz nieder, unser Credo, spontan aus der Luft gegriffen: „As long as we exist there is hope.“ Woher der Satz in meinem Kopf kam, weiß ich nicht, Aimée nannte ihn: Geistesblitz.
Wir vereinbarten, dass wir uns in der Ukraine treffen, wenn sie nach Europa kommt.

1944 wurde in Winnipeg das Ukrainian Cultural and Educational Centre gegründet. Drei Jahre später veranstaltete das Zentrum einen Memoirenwettbewerb mit dem Ziel, Material über den Zweiten Weltkrieg zu sammeln. Viele eingereichte Texte aber drehten sich um die Hungersnot, sodass das Zentrum schließlich eine große Sammlung aufbaute. 1948 verteilten ukrainische Displaced Persons in Hannover, Deutschland, Flugblätter zum 15. Jahrestag des „Massenmords“, wie sie den Holodomor nannten. 1953 gründete der ehemalige GULAG-Gefangene Semen Pidhainy die Ukrainian Association of Victims of Russian Communist Terror in Kanada. In den 70er Jahren war die ukrainische Diaspora in Europa, Kanada und den USA schließlich groß genug, dass sie eigene HistorikerInnen und Zeitschriften hervorbringen konnte. Das Harvard Ukrainian Research Institute und das Canadian Institute for Ukrainian Studies an der Universität von Alberta in Edmonton wurden gegründet. In den 80ern begann das Ukrainian Famine Research Committee, Interviews mit Überlebenden der Hungersnot und mit Augenzeugen aus ganz Europa und Nordamerika auf Video aufzuzeichnen. Der Ukrainian Studies Fund in New York beauftragte den jungen Historiker James Mace mit einem großen Forschungsprojekt am Harvard Ukrainian Institute, Mace hatte über die Ukraine promoviert.[26] Auf Basis des kanadischen Interviewprojekts entstand ein großer Dokumentarfilm, „Harvest of Despair“, 1985 lief er im Fernsehen, zuvor hatte er Preise bei Filmfestivals gewonnen. Im selben Jahr publizierte der Historiker Robert Conquest das in Zusammenarbeit mit dem Harvard Ukrainian Research Institute verfasste Buch „Harvest of Sorrow“ (dt. Ernte des Todes).

Aber es war die Zeit des Kalten Krieges. Wer zum Hungermord forschte, galt als „kalter Krieger“. Die Emigranten wurden als „notorisch voreingenommen“, ihre Berichte als „zweifelhafte Gräuelmärchen“ abgetan.[27]

In der Sowjetunion der 80er begegnete die Autorin Swetlana Alexijewitsch einer russischen Veteranin, die im Krieg neben einer Ukrainerin gedient hatte. Die gesamte Familie der Ukrainerin war im Holodomor verhungert. „Mein Vater war Geschichtslehrer, und er hat mir gesagt: ‚Eines Tages wird Genosse Stalin für seine Verbrechen bestraft werden.‘“[28]
Gorbatschow stand an der Spitze der UdSSR.

1987: Reaktion der Sowjetunion. Publikation des Buches:
„Fraud, Famine, and Fascism: The Ukrainian Genocide Myth from Hitler to Harvard“.

Als Autor nannte man einen Douglas Tottle, angeblich ein kanadischer Gewerkschaftsaktivist.
Die Hungersnot, so Tottle, sei eine Erfindung ukrainischer Faschisten und antisowjetischer Gruppen im Westen. Es habe schlechtes Wetter und Chaos gegeben, aber die ukrainische Hungersnot sei ein „Mythos“, die Berichte darüber „Nazipropaganda“. Die ukrainischen Emigranten seien „Nazis“; Harvard University sei „seit langem ein Zentrum von antikommunistischer Forschung, Studien und Programmen“ und habe Verbindungen zur CIA.[29]
In der freien Ukraine öffneten sich die Archive, ZeitzeugInnen wurden interviewt, Augenzeugen befragt, das kollektive Gedächtnis bekam Orte und Worte. „Ich dürfe nicht sterben, und wenn ich groß sei, müsse ich den Menschen erzählen, wie wir und die Ukraine qualvoll starben“, erinnerte sich Wolodymyr Tschepur, der fünf Jahre alt war, als seine Mama ihm erklärte, sie und Vater würden alles, was sie zu essen haben, ihm geben.[30] 2008 sprach der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko bei der Gedenkzeremonie zum 75. Jahrestag des Holodomor: „Wir appellieren an jedermann, vor allem an die Russische Föderation, vor ihren Brüdern aufrichtig und rein zu sein und die Verbrechen des Stalinismus und der totalitären Sowjetunion zu verurteilen. […] Wir weisen die dreiste Lüge zurück, wir würden ein bestimmtes Volk für unsere Tragödie verantwortlich machen. Das ist nicht wahr. Es gibt nur einen Verbrecher: das imperialistische kommunistische Sowjetregime.“[31]

2017 veröffentlichte die 1964 geborene Historikerin und Journalistin Anne Applebaum „Red Famine. Stalin‘s War on Ukraine“, das zwei Jahre später auf Deutsch unter „Roter Hunger“ erschien. Darin schreibt sie: „[D]er Anteil des der Öffentlichkeit freigegebenen Materials ist in der Ukraine einer der höchsten in Europa.“[32]
Das Buch spiegelt ein Vierteljahrhundert Forschung wider.
Applebaum war gerade dabei, das Buch abzuschließen, als 2014 Russland zum ersten Mal in der Ukraine einmarschierte.
Der Abschluss des Buches verzögerte sich, ihre ukrainischen KollegInnen waren „stark ins aktuelle Geschehen involviert.“[33] Zu den Lügengeschichten, die mit dem Einmarsch der russischen Armee (damals noch „grüne Männchen“ ohne Abzeichen) global verbreitet wurden, gehörten: ukrainische Nationalisten, die ein Baby kreuzigten, gefälschte Fotos. Applebaum: „Obwohl viel raffinierter als alles, was Stalin sich in der Zeit vor den elektronischen Medien ausdachte, war der Geist dieser Desinformationskampagne ziemlich der gleiche.“[34]34 Im Epilog ordnet sie Tottles Buch wissenschaftlich ein: „ist vor allem wichtig als Vorbote dessen, was fast drei Jahrzehnte später kam. […] dasselbe Spektrum von Verbindungen – Ukraine, Faschismus, CIA – [wurde] von der russischen Kampagne gegen die ukrainische Unabhängigkeit und gegen die Antikorruptionsbewegung von 2014 wiederaufgenommen“. Applebaum definierte, was Nationalismus auf russisch ist: jede Diskussion über die sowjetische Unterdrückung in der Ukraine oder über die ukrainische Unabhängigkeit.[35]

In einer kritischen Rezension zu Applebaums Buch habe ich gelesen: Sie ist Amerikanerin. Sie hat einen Polen geheiratet. Der Pole ist konservativ.

In der Russischen Föderation von Wladimir Putin wird der Holodomor noch heute geleugnet.
August 2023: Die Russische Föderation setzt ab September in den besetzten Gebieten der Ukraine ein Schulbuch ein, das die Ukraine als „ultra-terroristischen Staat“ bezeichnet.[36]

Der polnisch-jüdische Jurist Raphael Lemkin hatte Holodomor und Holocaust vor Augen, als er sich für eine Konvention der Vereinten Nationen zur Verhütung und Bestrafung von Völkermord einsetzte. Auf seine ursprüngliche Definition stützte sich eine Resolution der UN-Generalversammlung vom Dezember 1946: „Verbrechen gemäß Völkerrecht, … ganz gleich ob er aus religiösen, rassischen, politischen oder irgendwelchen anderen Gründen begangen wurde“.
Die Sowjetunion blockierte: „politische Gruppen seien in einer wissenschaftlichen Definition von Völkermord völlig unangebracht, ihre Einbeziehung in die Konvention würde […] den Kampf gegen den Genozid behindern“.

1953 sagte Lemkin in seinem Vortrag „Soviet Genocide in the Ukraine“:

Der Massenmord an Menschen und an Nationen, der das Vorrücken der Sowjetunion nach Europa charakterisierte, ist kein neues Merkmal ihrer Politik des Expansionismus. … Er ist vielmehr ein dauerhaftes Kennzeichen auch der Innenpolitik des Kreml – für die die heutigen Herrscher genügend Präzedenzfälle im Handeln des zaristischen Russland fanden. Tatsächlich ist er ein nicht wegzudenkender Bestandteil im Prozess des „Zusammenschlusses“, von dem die Sowjetführer sehnlichst hoffen, dass er den „Sowjetmenschen“, das „Sowjetvolk“ hervorbringt, und um dieses Ziel, die vereinte Nation, zu erreichen, werden die Führer des Kreml bereitwillig die Nationen und Kulturen zerstören, die Osteuropa lange bevölkert haben.[37]

Am 3. April 2022 publizierte die staatliche Russische Agentur für internationale Information, RIA Nowosti den Aufsatz „Was Russland mit der Ukraine tun sollte“ des russischen Politologen Timofej Sergejzew. Eine „Anleitung zum Völkermord“, sagt der Historiker und Holocaustforscher Timothy Snyder. Darin heißt es: „Russland hat im 20. Jahrhundert alles getan, um den Westen zu retten. Es verwirklichte das wichtigste westliche Projekt, die Alternative zum Kapitalismus, die die Nationalstaaten besiegte – das sozialistische, rote Projekt.“[38]

Am 28. November 2023 gedenkt die Ukraine dem Holodomor vor 90 Jahren. Zahlreiche Länder haben inzwischen das millionenfache Töten durch Hunger als Genozid eingestuft.
Österreich nicht.

2008 war ich aus Kanada zurückgekommen, 2010 besuchte ich meine Bekannte in Charkiw. Obwohl sie mir beim Spazierengehen durch Charkiw vom Holodomor erzählte, bin ich nicht auf die Idee gekommen, mehr darüber zu lesen, als in Reiseführern in einem „Spezialbeitrag“ zu finden ist. Die Geschichte „der düsteren Zeit“ der Sowjetunion verband ich ausschließlich mit Stalin, der war tot. Dass Stalin auf Vorgänger aufbaute und Nachfolger hatte und weitere haben könnte, kam mir nicht in den Sinn, obwohl Stalin in der Russischen Föderation seit der Präsidentschaft eines ehemaligen KGB-Offiziers stets an „Beliebtheit“ gewann. Warum? Stellte man ihn sich als Toten vor, der die anderen massakriert und einen selber verschont? Das dachte ich mir damals nicht. Ich hielt den von den Toten auferstandenen Stalinkult für eine postsowjetische Kuriosität. Im Grunde behandelte ich wissenschaftliche Erkenntnisse zum Sowjetkommunismus und die gesamte Arbeit der demokratischen Bürgerrechtsbewegungen der Länder, die einst hinter dem Eisernen Vorhang waren, wie rechtsgerichtete WählerInnen Erkenntnisse über die Geschichte, Ursachen und Folgen des Faschismus: Sie nehmen sie nicht wahr oder tun sie von vornherein als „parteiisch“ ab, sie wollen einen „Schlussstrich“ ziehen, sie sehen die Beschäftigung damit als Zeitvergeudung.
So ein „Schlussstrich“ passierte mir in Österreich, im Herzen Mitteleuropas, von dem meine norwegische Gastmutter 2011 sagte: „Österreich ist so faszinierend. Ihr könnt in einer Tagesreise mit dem Zug in allen Nachbarländern sein! Wir können nur nach Schweden fahren, nach Finnland ist es schon weit, für alle anderen Länder brauchen wir das Flugzeug!“
Wahrscheinlich treffen drei Gründe für das sonderbare Desinteresse zu: 1. Die Geschichte der Menschen, die hinter dem Eisernen Vorhang waren, schien mir weniger wichtig als „unsere“ Geschichte vor dem Eisernen Vorhang. 2. Ich hätte mein Leben verwettet, dass kommunistische Parteien im Westen für die Demokratie einstehen, unter allen Umständen. 3. Ich hatte die russische Propaganda übernommen, denn ich betrachtete Länder, deren Freiheit Putin als die „größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnete, besonders skeptisch, sie standen unter diffusem Generalverdacht, waren nie richtig in Ordnung, waren „sehr kompliziert.“ Da interessierte ich mich lieber für Lateinamerika und dortige revolutionäre Bewegungen und reiste, obwohl ich kein Spanisch sprach, mit zwei Freundinnen nach Venezuela, um hinterher eine Proseminararbeit über Chávez‘ Reformen zu beginnen, die ob der konträren Literatur zwar anwuchs, aber nicht weiterkam. Schließlich rettete die Klugheit meines kolumbianischen Professors die Studienpunkte: Er empfahl mir, einfach die Reise zu beschreiben, benotete sie gut, und zog wahrscheinlich seine eigenen Schlüsse.

Es musste der 24. Februar 2022 kommen, bis ich mehr wissen wollte und das Standardwerk zum Holodomor kaufte.
Alle Angaben zu den kanadischen Forschungen zum Holodomor sind diesem Buch entnommen. Ich habe es 2023 gelesen, stumm vor Entsetzen.

Ich lag falsch, als ich in ZW 1-2/2022 schrieb, Putin habe mit dem Kommunismus nichts zu tun.
Schon Lenin wollte die absolute Macht, es war er und nicht Stalin, der 1918 die Tschreswytschajaja Komissija gründete, die Tscheka, die erste sowjetische Geheimpolizei, die später GPU, OGPU, NKWD und dann KGB hieß: Putins Schule. Bereits Lenin führte die zaristischen Getreideeintreibungen in der Ukraine fort, und verschärfte die unter dem Zaren begonnene Zentralisierung. Bereits Lenin, nicht erst Stalin, ließ in den Dörfern Geiseln nehmen und Bauern an die Wand stellen, wenn die Abgabequoten nicht erfüllt wurden. Bereits 1919 fand die „Entkosakisierung“ statt, ein Massaker an 12.000 Menschen, nachdem eine Troika aus einem Kommissar der Roten Armee und zwei Parteimitgliedern Todesurteile im Akkord verhängt hatten. Die erste Hungersnot, jene von 1920/1921, war neben Dürre und Missernten bereits eine erste Folge der bolschewistischen Wirtschaftspolitik, die auf der Überzeugung beruhte, dass in naher Zukunft die „Klasse“ der Bauern aussterben werde (müssen), denn Bauern als kleinste Landbesitzer galten als kleinbürgerliche Kapitalisten. Der Blick auf Bauern ähnelte frappierend dem Feudalismus und Kolonialismus: Bauern als Wilde. So, wie sie verachtet wurden, wurde auch alles Lebendige der Natur verachtet.
Ein Überlebender des Holodomor erinnerte sich an einen Bauern, der die Hungersnot von 1920/1921 ideologiefrei so beschrieb: „Die Bolschewiki beraubten die Leute und nahmen Pferde und Ochsen mit. Es gibt kein Brot. Die Leute verhungern.“[39] „Sie zwingen uns auf die Kolchose, damit wir auf ewig Sklaven sind“, sagte ein Bauer vor dem Holodomor.[40] Gleichzeitig wusste die Sowjetregierung, dass die Ukraine, ein Agrarland, verloren gehen würde, revoltierten die Bauern erfolgreich. Viel später beschrieb Gorbatschow die Kolchosewirtschaft als „Leibeigenschaft“[41] (er hatte eine ukrainische Mutter). Aber selbst Gorbatschow ließ die Kinder Kiews - Kyjiws - zur 1. Mai-Parade aufmarschieren, obwohl er wusste, dass fünf Tage zuvor ein Reaktor in Tschernobyl explodiert war, 130 Kilometer von der ukrainischen Hauptstadt entfernt. Die Regierung wusste von der Gefahr, spät und bekümmert kam der ukrainische KP-Chef Wolodymyr Schtscherbyzky zur Parade, der Generalsekretär der KPdSU hatte ihm befohlen, die Parade mit Tausenden Menschen nicht abzusagen: „Wenn Sie die Parade vermasseln, können Sie Ihren Parteiausweis abgeben“, sagte Michail Gorbatschow.[42]
Putin hat ursächlich mit dem Polizei- und Propagandastaat zu tun, der 70 Jahre lang lügte, wie es ihm gefiel. Die putinschen „Argumente“ für den Vernichtungskrieg gegen die Ukraine sind nicht neu. Als 1932 Mychajlo Hruschewskyj, der größte ukrainische Historiker, einem Schauprozess unterzogen wurde, „entlarvte“ die Sowjetregierung ihn als „ukrainischen bürgerlichen Nationalisten und Faschisten“, der die „Abspaltung der Ukraine von der UdSSR und ihre Unterwerfung unter den kapitalistischen Westen betrieb.“[43] Das war sieben Jahre vor dem Pakt zwischen dem nationalsozialistischen und dem sowjetischen Regime, auf den die Zerschlagung europäischer Nationen durch die Paktpartner folgte. Dazwischen „säuberte“ der Große Terror mittels „nationaler Operationen“ („lettische“, „polnische“, „deutsche“, „griechische“ usw.) und verschärfte die Sippenhaft, die bereits seit 1921 bestand. Kinder unter 15 Jahren wurden von ihren Eltern getrennt und – zwecks „Delokalisierung“[44] - in weit entfernte Heime eingewiesen. Wie beim Holodomor fanden sich ideologisch der Sowjetunion zugeneigte SchriftstellerInnen und Intellektuelle außerhalb der Sowjetunion, die den Großen Terror verharmlosten oder sogar verteidigten, darunter uns lieb gewordene AutorInnen.[45] Zu keinem Zeitpunkt jedoch war das Informationsvakuum so total, dass man es nicht hätte wissen können, davon zeugen die Schriften von Arthur Koestler, sein 1940 erschienener Roman „Sonnenfinsternis“ oder die 1944 geschriebene Erstfassung von „Sowjet-Mythos und Wirklichkeit“. Koestler ahnte, dass sich das Sowjetregime mit Hilfe des „Antifaschismus“ weißwaschen würde.[46] Molotow, der am Holodomor wie am Großen Terror beteiligt war, rechtfertigte den Großen Terror 1970 so: „war notwendig […] Überreste der Feinde verschiedenster Richtungen existierten, und sie hätten sich angesichts der drohenden faschistischen Gefahr vereinigen können“[47] Neun Monate nach „Ende“ des Großen Terrors (er dauerte im engeren Sinn bis November 1938), unterzeichnete Molotow den Hitler-Stalin-Pakt, auch Molotow-Ribbentrop-Pakt genannt: 24. August 1939.
Der Antisemitismus war stets Teil der Sowjetunion; heute ist die Russische Föderation der weltweit größte Produzent von Fake News.
Die modernen Verschwörungserzählungen unserer Zeit bauen auf die ältesten massenhaften Verschwörungserzählungen auf: Antisemitismus, Antifeminismus.
Je mehr Fake News, je mehr Verschwörungserzählungen, desto mehr Antisemitismus und Antifeminismus.
Hitler und Stalin und ihre Handlanger haben sich mit ihren Verbrechen gegenseitig weißgewaschen.

Wenn die Erinnerungskultur „rote Linien“ akzeptiert, in dem sie sich an einer Moskau freundlichen Interpretation der Geschichte orientiert und im Sinne kommunistischer Parteien oder Organisationen „erinnert“ und „gedenkt“, dann macht sie nichts anderes als jene, die einem Massenmörder das Ziehen „roter Linien“ zugestehen – das heißt, der Massenmörder erhält Kriegsbeute, im Namen des „Friedens“ der Freien.
Hitler ist nicht durch den Kampf gegen den Antisemitismus besiegt worden, sondern durch eine Nationen übergreifende Anti-Hitler-Koalition. Dafür brauchte es Waffen und Bewaffnung des Widerstands. Erst mit Hitlers militärischer Niederlage war die Voraussetzung für die Möglichkeit geschaffen worden, Geschichte aufzuarbeiten und Antisemitismus zu bekämpfen.

In unserer Zeit, 2023, wäre es ja noch begreiflich, wenn der Wjatscheslaw Molotow und Joachim von Ribbentrop Pakt bei rechts- und linksradikalen Parteien und Organisationen nachwirkte. Aber sie finden sich auch in Teilen der Sozialdemokratie, in NGOs, von globalisierungskritisch über feministisch über menschenrechtlich bis (vulgär-)marxistisch, ja, selbst in der katholischen Kirche. Auf mich wirkt es, als bestünde eine Möglichkeit, in die Zeit des Eisernen Vorhangs zurückzureisen, in die gute alte Zeit der eigenen Jugend und Kindheit. Dort, wieder Kind, bauen wir den Eisernen Vorhang neu, geben die Leute, die Putin haben will, dahinter und uns davor. Sagen „Frieden“, gehen unseren Geschäften nach und hoffen das Beste. Und erzählen unseren Kindern, was uns wichtig ist.
Tanja Maljartschuk, die diesjährige Theodor Kramer Preisträgerin für Schreiben im Widerstand und im Exil, hat einmal in einem Interview ihr Befremden über österreichische Linke geäußert, die ihr, die sie in der Sowjetunion geboren wurde, in Wien die Sowjetunion schmackhaft machen wollten.

Von Wien und Berlin fahren Züge und Busse in die Ukraine, von Indien aus braucht es ein Flugzeug. Dennoch:
Ich kenne solch eine Entscheidung und solche Worte nicht von einer Österreicherin. So sprach eine indische Frau: „Sie erschießen die Leute und essen buchstäblich neben ihnen Frühstück“, erklärte am 12. September 2022 Kavita Krishnan, die langjähriges Mitglied des Politbüros und über 20 Jahre Mitglied des Zentralkomitees war und gerade aus der kommunistischen Partei Indiens ausgetreten war. Sie ist eine der furchtlosesten Stimmen gegen Gewalt an Frauen und begründete ihre Entscheidung mit der lauwarmen Reaktion der kommunistischen Partei und der fehlenden Hilfe für das überfallene Land:
„Ich kann ihnen nicht in die Augen sehen und sagen: Oh! Denkt Ihr nicht, es war besser für Eure Großeltern von Stalin umgebracht worden zu sein als von Hitler?
Wir können nicht sagen, eine Ideologie, eine Religion ist schlecht … außer es ist meine Ideologie, meine Religion.“[48]

Die Linie verläuft nicht zwischen Kapitalismus und Kommunismus, sie verläuft zwischen Demokratie und Tyrannei.
Jede Tyrannei frisst Zeit. Sie frisst Menschen, sie tötet, sie frisst die Lebenszeit derer, deren Leben sie beschädigt und zerstört, sie frisst das Lachen der Kinder, sie frisst die Liebe, aber sie frisst auch die Zeit der Menschen im Widerstand – und der, die dem Widerstand helfen.

Wir können diese Zeit nicht „einsparen“.

Ich möchte meinem Kind einmal erzählen können: Wir haben lange gebraucht, aber dann… haben wir dem Widerstand so geholfen, dass es einen Unterschied machte. Dass der Aggressor besiegt wurde. Dass die Menschen befreit wurden. Dass die verschleppten Kinder zurückkamen.

Und nicht: Wir hatten keine Zeit.

2023: Ein Rückblick

Österreich in der Zeit des russischen Vernichtungskrieges gegen die Ukraine

Silvester 2022, erste Jännerwoche 2023: Ich sitze unter dem Christbaum meiner Mutter und lese den Beitrag von Martin Pollack, Theodor Kramer Preisträger für Schreiben im Widerstand und im Exil von 2019, auf den Seiten 173-182 meines Weihnachtsgeschenks „Euromaidan. Was in der Ukraine auf dem Spiel steht.“ Ich bin erschüttert und beschämt. Denn die Wahrheit ist: Ich war dabei, Martin Pollack für einen Beitrag über 2014 anzuschreiben und hatte, als ich entdeckte, dass dieses Buch einen Beitrag von ihm unter dem Titel „Abducken und Kopfeinziehen. Über die Macht der Lügen“ enthält, das Mail abgebrochen, um „sicherheitshalber“ zu schauen, was er geschrieben hat. Und da steht: „Es ist erstaunlich, wie leichtgläubig, geradezu beflissen manche Intellektuelle die Behauptungen der russischen Propaganda wiederholen. […] Gudenus […] scheint noch irgendwie begreiflich. Österreichische Rechte wie Gudenus berufen sich gern auf die „Volksabstimmung für den Anschluss“, die Hitler im April 1938 in Österreich durchführen ließ – nachdem deutsche Truppen das Land besetzt hatten. Damals stimmten angeblich über 99 Prozent mit Ja. Es ist verständlich, dass stramme österreichische Rechte wie Gudenus die Abstimmung auf der Krim lobenswert finden, die Umstände sind schließlich vergleichbar. (S. 176-177) Beifall erhält Putin erstaunlicherweise auch von Seiten der Linken, die ihn, ganz im Sinn der russischen Propaganda, als Retter vor einem neuen Faschismus betrachten. […] Die Beweise für den angeblich in der Ukraine übel riechenden Blüten treibenden Faschismus und Antisemitismus sind denkbar dünn, bei genauerem Hinsehen findet man auf all diesen Propagandaprodukten, wie bei billigen Uhren, den Hinweis: Made in Russia. Und der ist nicht einmal gut versteckt.
[…] Dagegen konnten und können ukrainische Schriftsteller, Künstler und Intellektuelle, aber auch Vertreter jüdischer Organisationen in der Ukraine noch so oft protestieren […] (S. 179). Wie kommt es, dass ausgerechnet die Antisemitismus-Vorwürfe gegen den Maidan und die neue Ukraine bei Intellektuellen im deutschsprachigen Raum auf so fruchtbaren Boden fallen? Hat das mit dem, möglicherweise unbewussten, Versuch zu tun, die historische Schuld des eigenen Landes, in diesem Fall Österreichs, auf andere, zum Beispiel die Ukraine, abzuwälzen? […] In einem auf der Homepage der Jerusalem Post publizierten Blog schreibt der Vorsitzende der Anti-Defamation League, Abraham Foxman, dass Russland in der ukrainischen Krise „die Antisemitismus-Karte spielt“. [...] Abraham Foxman scheut sich auch nicht, die Argumentation Putins zur Rechtfertigung der Annexion der Krim mit Hitlers Lüge in Bezug auf die angebliche Unterdrückung der Sudetendeutschen zu vergleichen, mit der er die Zerschlagung der Tschechoslowakei zu rechtfertigen suchte. […] Ähnlich argumentiert Amelia M. Glaser, Professorin für russische Literatur an der Universität of California und Autorin eines hervorragenden Buches über Juden und Ukrainer in Russlands literarischen Grenzgebieten, in einem Beitrag in der New York Times, betitelt: „Putin‘s Phantom Pogroms“. [...]
Warum fällt es ausgerechnet linken Intellektuellen in diesen Tagen so schwer, einen einigermaßen vernünftigen (und redlichen) Diskurs zu führen? […]
Auf dieses Geschäft versteht sich der ehemalige KGB-Offizier. […]
Wie werden die Putin-Versteher reagieren, wenn er seine unverhüllten Drohungen wahr macht und zuerst die Ostukraine weiter destabilisiert, um dann nach irgendeinem inszenierten Vorfall einzumarschieren […] Werden die westlichen Intellektuellen auch dann weiterhin Verständnis äußern und davor warnen, Putin in die Ecke zu treiben? […] Um eine weitere Eskalation zu verhindern, muss Europa, muss die Welt Putin auf der Stelle energisch entgegentreten, um seine Ambition zu stoppen. Sonst droht ein böses Erwachen.
28. März 2014[49]

Das Buch mit Martin Pollacks Beitrag über 2014 ist 2014 im Suhrkamp Verlag erschienen.

Februarbeginn 2023. Bald ein Jahr Krieg gegen die Ukraine.
UkrainerInnen erinnern an den Krieg. Jemand postet das Foto, das mir nie aus dem Kopf ging:

Ein Bub, sechs Jahre, stehend am Grab, Butscha. Der Gesichtsausdruck des Buben.
Der Bub bringt seiner toten Mutter jeden Tag eine Dose Konserven.
Im Sommer war der Bub auf Traumabehandlung in Spanien, gemeinsam mit anderen Kindern aus der Ukraine. Olena Selenska setzt sich besonders für psychologische Hilfe ein und so war das länderübergreifende Hilfsprojekt ins Leben gerufen worden, das zu „100 Prozent“ hilft, wie sie einige Monate danach postete. Zuerst dachte ich mir: Muss ein sprachliches Missverständnis sein, 100 Prozent! Bis ich verstand, was sie meinte: Alle Kinder haben danach wieder zu sprechen begonnen.
Der Bub kann nun erzählen, was in Butscha war: Es war dunkel und kalt und sie konnten nicht raus und sie hatten wenig zu essen.
Was er nicht weiß: Seine Mutter hat alles Essen ihm gegeben, damit er überlebt. Sie war Mitte dreißig und ist verhungert.
21. Februar 2023.
Drei Tage vor dem Jahrestag des russischen Totalangriffs auf die Ukraine. Faschingsdienstag. Die ukrainische Gemeinschaft und die Caritas haben zu einer Kundgebung für die Kinder der Ukraine aufgerufen. Systematische Verschleppungen ukrainischer Kinder durch Russland.
Wie lange weiß ein kleines Kind Vor- und Nachnamen seiner Eltern? Ich hatte als Lehrerin für Deutsch noch in der 1. Klasse Gymnasium Kinder, die beim Aufsatzüben für eine Personenbeschreibung den Vornamen von „Mama“ und „Papa“ nicht angeben konnten, denn „Mama“ ist Mama und „Papa“ ist Papa! Wie lange merkt sich ein dreijähriges Kind seinen eigenen Namen? Wie lange kann es den Ort sagen, wo es herkommt? Ein kleines Kind kann nicht aufschreiben, was es nicht vergessen darf. Mit welchen Zaubermitteln soll es mental widerstehen, wenn die „neue Familie“ sagt, die eigenen Eltern hätten es verlassen, wollen es nicht mehr wiederhaben, seien schlechte Eltern, das Land, wo es herkomme, sei schlecht, jetzt würde es eine richtige Mama und einen richtigen Papa kriegen? Natascha Kampusch, die in Österreich als Kind entführt wurde, hat es geschafft, dem Täter acht Jahre geistig Widerstand zu leisten, sie hat eisern daran festgehalten, dass ihre Mama sie suchen wird. Das ist ein Wunder mentalen Widerstands. Sie war zehn Jahre, als sie entführt wurde. Selbst erwachsene Gefangene werden psychisch gebrochen, sobald sie daran zu zweifeln beginnen, dass sie gesucht werden. An welchen Gedichten, an welchen Liedern kann sich ein Kindergartenkind festhalten, ein Kleinkind?

Am Stephansplatz ist mit Kerzen ein riesiges Herz gebildet. Ukrainische Kinder, von russischen Bomben und Raketen aus ihrer Heimat vertrieben, zünden sie an. Mein Mann, unsere Tochter und ich finden uns ein, einige Hundert Menschen sind bereits da, Puls 24 berichtet. Zwei Schilder haben wir mit: Was auf dem einen stand, habe ich inzwischen vergessen. Auf dem zweiten, das ich hielt, stand: Raiffeisen Supports Russias War! Unser Kind nimmt großen Anteil an dem, was für die Ukraine passiert, hat auf sein Schild „Lasst die Ukraine nicht im Stich“ geschrieben und rundherum Schmetterlinge geklebt, dennoch wird eine Kundgebung, die der Stille Raum gibt, dem Kind alsbald zu still, also geht sein Vater mit ihm eine Runde, damit es sehen kann, was es zu sehen gibt. Kaum sind sie weg, steht wie aus dem Nichts ein Mann vor mir, Gesicht an Gesicht, viel zu nahe, liest überdeutlich: „Raiffeisen Supports Russias War!“ / - „Und das ist auch richtig so!“ Ich komme gar nicht dazu, Argumente vorzubringen, da prasselt es: „Der Soros, der Jude! …“ Den Rest kann nicht mehr zitieren, erstens, weil alles in mir weghören wollte, zweitens, weil ich mich darauf konzentrierte, von dem Mann weg- und den anderen näher zu kommen, wo ist die Reporterin, Kamera! Der Tirade Kern: Soros, internationaler Strippenzieher, wie Juden überhaupt, richtig, was Russland macht, richtig, was Raiffeisen mach, usw. usf. Der Mann geht mir nach, Tirade weiter, ich drohe, die Polizei zu rufen, wiederhole „ich rufe die Polizei“, wiederhole es noch einmal, die österreichische Polizei dürfte nicht als Sicherheitsgarant der „russki mir“ gelten, denn plötzlich, von einem Moment auf den anderen, ist der Mann weg. Wäre Polizei überhaupt da gewesen, wenn ich sie gebraucht hätte? Ich umrunde die Kundgebung. Polizei da, jedoch unscheinbar: Ein einziger unbeleuchteter Polizeiwagen nah an der Mauer des Stephansdoms, als würde er sich an sie drücken. Vielleicht sind ja PolizistInnen in Zivil aktiv, wer weiß. Erst jetzt fällt mir auf, dass ich fast keine Fakten nennen könnte, weder hätte ich das Aussehen genau beschreiben (kein Bart, unangenehmes Gesicht), geschweige die Kleidung (Hose) noch die Richtungen angeben können, aus der er gekommen und verschwunden war. Das ist vermutlich eine typische Erfahrung: Wenige Fakten, passiert ist „nichts“, greifbar und beschreibbar allein das erlebte Gefühl der Bedrohung und eine eklig klebrige Erinnerung.
Drei Tage später, am 24. Februar 2023, rief die ukrainische Gemeinschaft zu Infoständen und Installationen in die Innenstadt. Wieder mit unserer Tochter unterwegs besuchten wir die Installation zu den Kindern der Ukraine. Eine Frau fiel uns im Gespräch mit jemandem auf, ich sprach sie an. Sie, Fotografin aus der Ukraine, fragte mich nach einem kurzen Austausch, ob sie mich zu meinen Einschätzungen als Österreicherin interviewen dürfe. Ich sagte auf Englisch: Es tut mir leid, dass Österreich nicht stärker hilft, dass Österreich noch immer Geschäfte mit Russland macht, dass Österreich damit den Angriffskrieg mitfinanziert, dass es in Österreich viel russische Propaganda gibt, dass ich glaube, dass es in Österreich generell an Widerstandskultur mangelt, dass wir aufgrund des nicht geleisteten militärischen Widerstands gegen den Einmarsch der Soldaten Nazideutschlands falsche Schlussfolgerungen verinnerlicht haben, dass ich in den Tagen nach dem 24.2.22 tatsächlich gehofft hatte, dass es Österreich diesmal ganz anders machen würde, dass ich dachte, es wäre an der Spitze der Helfenden.
Dass Österreich vom Widerstand der Frauen und Männer der Ukraine lernen sollte.

Konstantin Kaiser erinnerte mich später an Kaiser Franz Josephs „An meine Völker“ zum Ersten Weltkrieg: Kämpfen sollten vor allem die „Völker“ im Osten und Süden, nicht die Kernösterreicher. „Das geht viel tiefer“, sagt er.

Die Fotografin erzählte mir, dass UkrainerInnen nächtens durch die Stadt Wien gehen, um die „Z“ zu übermalen, mit denen Gebäude, Geschäfte, ukrainische Solidaritätszeichen, ukrainische Installationen und Autos mit ukrainischen Kennzeichen beschmiert wurden. Wiederholt hätten sich die Inhaber von Geschäften froh über das beherzte Vorgehen der UkrainerInnen gezeigt. Ein Täter der Kriegsverherrlichung konnte sogar ausgeforscht werden. Für die Verwendung des Symbols könne er allerdings nicht belangt werden, dafür fehle in Österreich noch immer die rechtliche Grundlage, so das mit dem Fall befasste Gericht.
Zum Abschied empfahl die Fotografin das Buch von Peter Pomerantsev „Nothing Is True and Everything Is Possible“.
Sie hätte gedacht, schon alles über die Funktionsweisen der russischen Propaganda zu wissen, doch nein. Das Buch sei ein wahres Aufklärungswerk.

Nachts sah ich einen „Kollegen“ in euronews oder France 24: Ein Mann, um die vierzig Jahre, sagte im Interview am 24.2.23 in Großbritannien: We should learn from the ukrainian resistance.

Inzwischen ist es Sommer 2023 geworden und „Z“ ist in Österreich noch immer ein bloßer Buchstabe des Alphabets, noch immer nicht im Symbole-Gesetz gelistet, und das, obwohl mit Deutschland ein Land im gleichen Sprachraum Vorbild sein könnte. In Deutschland informierte das Bundesinnenministerium bereits im März 2022, dass strafrechtliche Konsequenzen für die Verwendung des „Z“-Symbols drohen. Grundlage ist Paragraf 140 des Strafgesetzbuches, das besagt, dass die Billigung eines Delikts eine Straftat ist. Strafmaß: bis zu drei Jahre Haft. Nachzulesen ist dies im „Merkur“ des 17. Juli 2023 in einem Bericht über Österreichs Säumnis[50], nachdem in der Seestadt in Wien gleich mehrere Autos mit ukrainischen Kennzeichen mit dem Symbol des russischen Vernichtungskrieges „Z“ angesprüht oder zerkratzt worden waren. Das „Z“ drückt eine unmittelbare Bedrohung aus und genau so fühlen sich die Betroffenen: Sie haben Angst, sind schockiert, können nicht begreifen, warum das hier, so weit weg von Russland, möglich ist.
In meinem Auto, einem kleinen alten Skoda, liegt seit einer Spendenabgabe beim Ukraine-Zentrum im Frühjahr 2022 auf der Hutablage ein schönes weißes Kapperl mit einem blau-gelben Herz. Es ist das Ukraine-Kapperl meiner Tochter und ihr Lieblingskapperl. Eines Tages im Herbst 2022: Zigarettenstummel und Müll auf der Windschutzscheibe. Es sah grauslich aus und ich spürte Ekel – sogleich muss man sich dagegen stemmen, dass der Ekel nicht in den eigenen Körper kriecht. Mir war das noch nie passiert, ich lebe seit acht Jahren in Wien. Zufall? Kein Zufall war, dass ich für einen Moment überlegte, das Kapperl aus dem Auto zu nehmen. Oder es abzudecken. Oder umzudrehen. Kofferraum auf. Kofferraum zu. Gegenüber die Mauer eines Geschäfts.
(Jüdische Geschäfte in unserer Straße. Tschiks und Dreck reichen, um mich zu verstecken, bin ich blöd?)
Das Kapperl blieb, aber ich weiß auch: Ich würde mich nicht trauen, alleine einen ukrainischen Informationsstand zu betreuen. Im Brückenbauerland Österreich!

Sehr bald nach dem 24.2.22 hat mich meine Tochter gefragt: „Was passiert, wenn Putin gewinnt?“
„Er wird nicht gewinnen.“
„Aber was passiert, wenn er gewinnt? Kommen dann Raketen?“
„Nein. Sie brauchen keine Raketen. Wenn Putin gewinnt, gewinnt die FPÖ. Dann macht Österreich mit Ungarn und Serbien eine Diktatur.“
Sie ist acht und hat nicht gefragt: „Und was passiert dann?“ Auch nicht: „Und was machen Papa und Du dann?“ Sie weiß nur, dass wir nicht FPÖ wählen (den Kurz fand sie eine Zeitlang fesch), sie kann Selenskyj von Putin unterscheiden - Selenskyj nennt sie: „der gute Präsident“ -, sie weiß, dass ich mit meiner besten Freundin nach Prag reisen und Petr Pavel hören will und ihn viel besser finde als den österreichischen Präsidenten, aber wie Österreichs Demokratie mit dem ukrainischen Widerstand zusammenhängt, kann sie sich schon alleine deshalb nicht vorstellen, weil sie noch nie in der Ukraine war und die Ukraine weit weg ist, obwohl die Distanz zwischen Lwiw und Wien mit knapp 800 Kilometer der von Dallein, wo ihre Oma wohnt, nach Bregenz entspricht, wenn man bloß 200 Kilometer dazugibt. Gerade war ein Mädchen, das sie kennt, von den Ferien auf einer Alm im Montafon zurückgekommen.
Aber was ein Kind immer versteht, ist der Ton in der Stimme: Es ist ernst.

Sie ist übrigens cool. In der Schule fragte sie immer wieder, zwischendurch, beim Spielen oder im Garten: Bist Du für oder gegen die Ukraine? Und wenn dann ein - „die Ukrainer haben ein Auto nicht parken lassen!“ oder „die haben eine Autotür kaputt gemacht!“ (von der FPÖ hochgeschaukelter und verdrehter Vorfall aus der Wiener Innenstadt) kam, fragte sie nach und wir redeten. Die Mehrheit hilft zur Ukraine, sagte sie. Der, der „für beide“ sagte, hat inzwischen gesagt, für Putin ist er doch nicht.

„Bist Du für oder gegen die Ukraine?“ - Eigentlich sollte ich mich wie mein Kind trauen, diese Frage in Gesprächen zu stellen.

Mai 2023

Ich muss wieder hin, ich muss meinen Beitrag leisten
Georg Jachan

Georg Jachan, der Obmann des Vereins für weltweite Nothilfe, ist in Gföhl ein bunter Hund. Jeder weiß, wo er steht.
Auf den Verein war ich ein halbes Jahr zuvor gestoßen und habe mich gefreut, denn ich wusste nicht, wer – Monate nach der Totalinvasion – im Waldviertel noch Hilfstransporte durchführt. Warum organisiert die österreichische Regierung nicht kontinuierliche Hilfe für die Ukraine gemeinsam mit der Bevölkerung in Österreich? Sie pflegt doch Österreichs Selbstbild des großen humanitären Helferlandes, das gerade deshalb so stark humanitär hülfe, weil es neutral ist!

Für Weihnachten initiierte Jachan eine Christkindlpackerlaktion für die Kinder im Donbass. Ich brachte ihm eine Autoladung, bevor mein Mann, unsere Tochter und ich auf Weihnachtsferien nach Tirol fuhren. Es war der Tag vor Weihnachten und passenderweise brach während des Verladens ein Winterstiefel. Also ging ich in Gföhl auf gut Glück in das Schuhgeschäft neben der Tankstelle, wurde gut beraten, als Nichthiesige erkannt, fand die Verkäuferin nett und sagte zu ihr an der Kassa: „Ich komme gerade vom Jachan.“ „Der ist super! Wir spenden auch!“ Wir lächelten uns an und waren sichtlich froh über den jeweils anderen. Jedesmal, wenn ich die Winterschuhe vom Schuhgeschäft aus Gföhl anziehe, sehe ich dieses strahlende Gesicht der Verkäuferin vor mir. Es war die Zeit, als die Ukraine durch Russland in Kälte und Dunkelheit bombardiert wurde und in Österreich zu spüren war, dass die russische Propaganda zunimmt. Meine Freundin hatte kurz davor berichtet, was sie von einer Kollegin im Konferenzzimmer gehört hatte. „Das hat eine Kollegin gesagt!“, sagte sie fassungslos, „hoffentlich bekommt das Lew nicht zu hören.“ Lew ist der 13jährige Bub aus Kyjiw in ihrer Klasse, der die Nachrichten verfolgt und Journalist werden will.
Ich nahm mir vor, Jachan zu interviewen.

12.5.
Facebook-Seite Georg Jachan
„Aus gegebenem Anlass:
Irgendwer […] heute zu mir:
‚Du derfst die ned wundern, wanns di irgendwann mitm Gwiahr (Gewehr!) vu daham ohoin oder glei daschlogn.…‘[51]
Ehrlich gesagt wundere ich mich immer wieder, wie freiwillige soziale Arbeit gesehen und entwertet wird. […] Gewalt wurde mir ja schon mehrfach angedroht, wie auch unser brauner Stadtrat schon vor Jahren zu Nachbarn meinte: "Wenn ich Schwierigkeiten machen würde - er meinte mein Engagement in der Flüchtlingshilfe, dann würde man mit mir "abfahren"!. Wohin denn die Fahrt gehen solle, konnte mir Besagter leider nicht beantworten. […]
Da Besagte allerdings weder direkt noch indirekt genannt werden wollen, zieht man dann doch einen größeren Kreis um mich und lässt mich meine freiwillige Arbeit machen.“

22.5.23. Jachan hat ein nettes Lokal in einer Kremser Seitenstraße vorgeschlagen, wir treffen uns auf ein langes Gespräch, meine Tochter zeichnet derweil Wellensittiche. Wenn sie aufs Klo muss, erzählt Jachan das, was Kinder nicht hören sollen.
Angefangen hat alles mit seiner Frau, 2015. Jachan hatte Zeit, und seine Frau sagte: „Du kannst ja arabisch, warum fährst Du nicht zum Dolmetschen an die Grenze?“ Und so kam Jachan zur Flüchtlingshilfe. Für ihn war Putins Angriffskrieg kein „Blitz der Erkenntnis“, wie Gerd Koenen den Zeitsprung nach dem 24.2.22 in der Gesellschaft beschreibt. „Ich hab von den Flüchtlingen gewusst, was Putin in Syrien macht.“
Jachan hat 15 Jahre als Justizwachebeamter gearbeitet. Sein Fazit: „Das waren die härtesten 15 Jahre meines Lebens“, sagt er, „Ich habe es nicht geschafft, mich mit den bestehenden Strukturen zu arrangieren.“ Zum Thema könnte er ein ganzes Buch schreiben. Dann bräuchte er vielleicht rechtlichen Beistand. Vielleicht schreibt er etwas nach dem Krieg. - Wenn der Krieg gut ausgeht.

Was ich 2022 als Bruch empfand (Rechte färben die Coronademos russisch; manche fühlen sich durch die Ukraine in der Arbeit gegen Kapitalismus und Patriarchat gestört; manchen ist das eine wie das andere egal; manche ängstigen sich ohne Hierarchisierung ihrer Ängste zuungunsten von ganz Osteuropa[52]), all das passierte für ihn 2015. Rund um ihn herum teilte sich seine Welt: in Unterstützer und Gegner der Flüchtlingshilfe und in die, die schweigend warten, wer die Mehrheit bekommt.
„Leute sprachen plötzlich nicht mehr mit mir. Die haben mich aufwachsen gesehen! Meine Eltern wurden gemobbt!“ Von seinen Arbeitskollegen blieben ihm nur mehr zwei, alle anderen brachen den Kontakt ab, „für die war ich tot. Wir hatten gemeinsam Geburtstag gefeiert, das waren Leute, auf deren Hochzeit ich war.“ Seiner Mutter widerfuhr das Gleiche von einer – nun ehemaligen - Freundin, deren Ehemann ein FPÖler ist.
Ich frage: Was haben deine Eltern gesagt, wollten sie, dass du aufhörst?
- Nein, sie haben gesagt, mit de Trottln woit ma eh nix redn.

Jachan verteilte in der Stadt Mossul humanitäre Hilfe, als die Islamisten noch nicht geschlagen waren. Kürzlich sah ich sein Posting aus dem Jahr 2017.
Ein Jahr später, 2018, brachte ihn sein ukrainischer Freund, der 80jährige Schriftsteller Valerij Demydenko, in die Ukraine, wo Jachan mit der Kremser Organisation „Future for Children“ in Tarutyne im Oblast Odessa ein Waisenhaus umbaute. Wenn Jachan so eine Aufgabe übernimmt, dann organisiert er sich alles direkt vor Ort: Dort kauft er das Material, dort sucht er die Arbeitskräfte. Es war ein Schulfreund von Jachan, ein Steuerberater, der „Future for Children“ gegründet hatte. Fährt ein Transport des Vereins für weltweite Nothilfe in die Ukraine, kommt die meiste Hilfe für die Kinder von „Future for Children“.
Aus dieser Zeit rund um 2018 hat Jachan Clustermunition zu Hause. Ukrainer haben sie ihm als Beweis übergeben, sie stammen aus den russisch besetzten Gebieten. Schon vor der Totalinvasion haben die Russen alles eingesetzt, dazu Hasspropaganda: Ukrainer würden prorussische Frauen schänden und sie ausweiden, Embryos herausschneiden. Das gesamte Arsenal der russischen Propaganda war bereits Jahre vor der Totalinvasion aktiv.
Zwei Jahre später kam Corona und damit Stimmenzuwachs für die FPÖ. Schon zuvor war ein politisch aktiver rechtsgerichteter Zeitgenosse nach einem für die FPÖ günstigen Wahlergebnis im Wirtshaus auf den Tisch gesprungen und hatte „Heil Hitler!“ geschrien.
Nun merkte Jachan eine Verschiebung: man wurde „dreister“.

Der Bruder seiner Oma war zu Kriegsende von Nazis erschlagen worden. Nicht in Gföhl, sondern in Langenlois, eine halbe Stunde entfernt, er war im Stall und richtete sein Fuhrwerk für die Heimfahrt her. Davor hatte er im Gasthaus seine Meinung gesagt.

Corona brachte für Jachan einen Verlust, der ihn heute noch schmerzt und den er bereits im allerersten Gespräch erzählte, während wir die Hilfspackungen von meinem Auto in sein Auto räumten. Er hatte einen Freund, einen linken Philosophen und Ethiker aus der Friedensbewegung, der für ihn wie ein Mentor war. „Wenn ich eine Meinung hören wollte, ging ich zu ihm.“ Und nun begann der Mentor, Ken Jebsen zu empfehlen. „Das ist der, der den Holocaust relativiert“, erinnert mich Jachan und sagt, dass ihn diese „Toleranz gegenüber Jebsen“ erschütterte. Er versuchte es mit Aufklärung auf persönlicher Ebene von erster Hand. „Red mit meiner Frau, die kennt das Gesundheitswesen!“ Darauf sagte der Freund, er wolle nicht mit seiner Frau reden, die sei „nur eine kleine Krankenschwester.“ Seine Frau hat drei Abschlüsse und leitet zwei Pflegeheime. Jachan sieht den Nährboden der Verschwörungserzählungen vor allem im „Egoismus, man will auf nichts verzichten.“ In der Umgebung wurden Schleckerparties veranstaltet – ein Lolli machte die Runde, unter Erwachsenen wie Kindern, Motto: „Ich fürchte mich nicht.“

Ich kann sein Gefühl gut verstehen, weil es mir nach dem 24.2.2022 ähnlich ging. Also gab ich ihm die zwei Ausgaben Zwischenwelt von 2022. Beim nächsten Gespräch sagte er: „Die ist super,das sagt auch meine Frau!“

24.2.2022. Jachan erzählt das, was auch UkrainerInnen in Österreich erzählen: „Die ersten drei Monate war ich Tag und Nacht nur am Telefonieren und Kaffeetrinken.“ Er sah sich nahe an Herzinfarkt und Burnout. Die UNHCR wusste von Jachan und empfahl der UNESCO, ihn für die Evakuierung eines Kinderheims nahe Charkiw zu kontaktieren. Jachan sagte, das könne er nicht, er habe dort keine persönlichen Kontakte. „Wie hätte ich das machen sollen?“ Die Russen, wo waren sie genau, wohin …
Wo er persönliche Kontakte hat, wagt er sich weit vor: 115 Evakuierungen hat er mit seinen ukrainischen Freunden durchgeführt. Mit der Hilfe eines Bekannten vom britischen Geheimdienst holten sie Menschen aus dem russisch besetzten Cherson.
Die Caritas wandte sich an Jachan, ob er die Leitung des Logistikzentrums in der Westukraine übernehmen wolle? Jachan lehnte ab. Seine Kontakte sind seine Freunde im Donbas und am Schwarzen Meer. Über Valerijs rumänische Freunde entstanden Verbindungen zu Chernivtzy. In Kirchen, Ställen, alten Lagern und Garagen richtete der Verein für weltweite Nothilfe Verteilerlager ein, Menschen aus Winnyzja, Sumy, Charkiw kamen und holten mit Minibussen Nachschub.

Auf der Fahrt nach Odessa mussten sie umkehren, vor ihnen wurden Menschen erschossen.

Jachan plante Bachmut zu beliefern.
Dann ging auf dem Schlachtfeld alles schnell.
Nach Bachmut ist er nie gekommen.
Bald überall Minen. Das Wichtigste beim Fahren: „Nicht ausweichen!“ Lieber einen Unfall als an den verminten Straßenrand fahren.
Minen – als wir am 20.5.23 das Gespräch führten, blockierte die ÖVP-Verteidigungsministerin gerade das Ersuchen der Ukraine um Hilfe bei der Entminung, um die der ukrainische Präsident schon ein Jahr zuvor gebeten hatte. Es gibt Länder, die schweres Gerät schicken, es gibt Länder, die ukrainische SoldatInnen und Freiwillige ausbilden (zB Albanien), es gibt Länder, die selbst SoldatInnen und Freiwillige schicken. Die ÖVP sagte, nichts geht, Österreich ist neutral, Österreichs Soldaten dürfen nicht gefährdet werden, würden mit österreichischer Hilfe entminte Wege von der ukrainischen Armee für „Angriffe“ verwendet werden, wäre Österreichs Neutralität verletzt.
„Da geht es nicht um neutral, sondern um Moral. Das ist moralisch verkommen. Das ist Anbiedern an die Braunen“, sagt Jachan. Er erzählt von Minenratten, die in Bosnien eingesetzt wurden: Dressierte Ratten, die sogar Plastikminen, die von den Metalldetektoren nicht gefunden werden, riechen können.
Wenn Österreich keine Helfer und kein Gerät schicken will, solle es eben Minenratten schicken!
Ob diese Forderung ernst oder tiefschwarzer Humor, ist, lässt sich nicht sagen. Man weiß es selbst nicht. Man weiß nur: Österreich fällt aus der Zeit.

Wer aus der Zeit fällt, kann nicht mehr die Hand reichen.

Schließlich stellte Österreich, nach dem guten Zureden des Bundespräsidenten, 2 Millionen Euro bereit. Was geht sich damit aus? Ein schweres Gerät? Eineinhalb?

„Den Geruch kriegst du nicht mehr los.“
„Welchen Geruch?“, frage ich. Ich weiß nicht, wie Explosionen riechen.
Den Geruch des russischen Vernichtungskrieges. „Aasgeruch. Leichen. Abgase. Müll. Pulverschmauch. Ich brauch nur die Bilder sehen und hab den Geruch in der Nase.“

Bei Antoniwka sind sie unter Beschuss gekommen. Sie standen gerade am Platz mit den EinwohnerInnen, darunter Kinder, und erklärten den Ablauf der Hilfslieferung, als neben ihnen die Granaten einschlugen. Dann kreisten zwei Drohnen über ihren Fahrzeugen. Die Russen hatten sie geortet, Drohnen schicken die Information an die russische Artillerie.
Russischer Angriff auf das, was man „zivile Ziele“ nennt. Der Fahrer des Roten Kreuz Wagens, auch ein Militärkaplan, aus Pokrowsk, war so erschüttert, dass er zu weinen begann.

Der Verein für weltweite Nothilfe existiert als Verein seit etwas mehr als zwei Jahren. Wenn Jachan für einen Transporter helfende Hände braucht, kommen Freiwillige von weit her: Grafenwörth, Krems, Tulln, Wien. Aus Gföhl helfen vor allem Frauen. Viel unsichtbare Arbeit steckt hinter einem Transport, ohne HelferInnen wäre kein Einsatz möglich.
In der Umgebung helfen Firmen. Das Schuhgeschäft Mold spendet Schuhe, die Spedition Brantner Logostik Transporte bis Rumänien. Jachan kann auf ein Netzwerk zählen, aber: Das große Spendenaufkommen von 2022 ist völlig eingebrochen. Er sieht dies als Erfolg der russischen Propaganda. Wie sie sich ausbreitete, konnte man auch bei den Kindern beobachten. „Es sind dieselben Kanäle“. Von seinem ehemaligen Mentor, dem Philosophen und Ethiker aus der „Friedensbewegung“ hörte Jachan, die weißen Bänder (der gefesselten Hände der Ermordeten von Butscha) seien Zeichen gewesen, dass sich die Menschen den Russen ergeben wollten – und dann seien sie deswegen von den Ukrainern erschossen worden.
„In der Ukraine sind sie froh über die Befreiung“, sagte sein ehemaliger Freund.
„Warst du dort oder war ich dort?“, fragte ihn Jachan.

Mit einer Ukrainerin übt Jachan Deutsch. Ein Mann bei einem Geschäft in Krems will mit Jachan über die Ukraine diskutieren. Jachan, mit der Ukrainerin neben ihm, sagt: „Du kannst Anna neben mir fragen, die kommt aus Charkiw.“ -

Antwort des Mannes: „Owa da Selenskyj is a Saujud!“

Jachan: Du weißt schon, dass Jachan ein polnischer Name ist, wir sind polnische Juden.

„Isch scho guad, Jachan.“
Mit diesen Worten geht der Mann.

Tatsächlich weiß Jachan über seine Vorfahren fast nichts, weder wo der Name herkommt noch wer welchen Glauben hatte, aber Bekannte in Tschechien meinten, der Name Jachan käme wahrscheinlich aus Polen, wahrscheinlich jüdisch.
Vielleicht macht er sich einmal auf Spurensuche, nach dem Krieg.

Ob ich die Putin-Biographie von Thomas Röper kenne?
Nein. Ich schlage nach:
Röper ist der Biograph Putins. Titel: „Vladimir Putin. Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“ 2022: 5. Auflage.
Beschreibung Amazon: In den westlichen Medien wird viel über Putin geschrieben. Aber Putin kommt praktisch nie selbst zu Wort und wenn doch, dann stark verkürzt. Man kann Putin mögen oder auch nicht, aber man sollte wissen, was Putin selbst zu den drängendsten Fragen unserer Zeit sagt, um die Entscheidung darüber treffen zu können. Thomas Röper lebt seit 1998 überwiegend in Russland, spricht fließend Russisch und lässt den russischen Präsidenten Vladimir Putin selbst in diesem Buch in ausführlichen Zitaten zu Wort kommen. Sehen Sie, was Putin zu den drängendsten internationalen Problemen sagt, ob zu Syrien, der Ukraine, der weltweiten Flüchtlingskrise, zu dem Verhältnis zu Europa und Deutschland oder auch zu Fragen der Pressefreiheit. Putins Aussagen einmal komplett zu lesen, anstatt nur Zusammenfassungen oder aus dem Zusammenhang gerissene Ausschnitte zu lesen, ergibt eine interessante Sicht auf die Probleme der heutigen Welt. Das Ergebnis ist eine schonungslose Kritik an der Politik des Westens, wenn Putin die Dinge mal mit Humor und mal mit bitterem Ernst deutlich beim Namen nennt, denn – egal ob dies gut oder schlecht ist – er ist kein Diplomat und findet sehr deutliche und unmissverständliche Worte. Putin redet nicht um den heißen Brei herum und nach dieser Lektüre kann jeder für sich entscheiden, wie er zu Putins Thesen steht. Aber um diese Entscheidung treffen zu können, muss man erst einmal wissen, was Putin tatsächlich selber sagt und denkt. Und ob seine Positionen einem gefallen oder nicht, eines ist unstrittig: Seine Positionen sind seit 18 Jahren unverändert. Machen Sie sich selbst ein ungefiltertes Bild von dem, wofür Präsident Vladimir Putin steht!
Jachan erzählt mir noch von der „elitären Bewusstseinserweiterung“, die sein Freund in der „Friedensbewegung“ beschrieben hat, vom Schweizer Daniele Ganser, der über die „NATO-Geheimarmeen“ dissertiert hat (!), …

und dass die in seiner Umgebung, die jetzt „Frieden ohne Waffen!“ verlangen, zuvor von den Geimpften in Gföhl verlangten, Abstand zu halten (nicht umgekehrt!)

dass am 20.4. zu Eiernockerl und Salat geladen wird, in einem Ort außerhalb

ich kenne mich nicht aus, Eiernockerl und Salat schmeckt doch gut, aß ich sehr gerne als Kind, hab es aber nie selber gekocht

„zu Hitlers Lieblingsessen an Hitlers Geburtstag!“

Als Putins Truppen Nowa Kachowka sprengten und ein Umweltverbrechen unvorstellbaren Ausmaßes verübten, hat Jachan sofort reagiert, einen Aufruf für Trinkwasseraufbereitung und Wathosen gestartet. Über Oksana Schocher entstand der Kontakt zu UK4UA und Wheels of Victory, der Transport nach Cherson startete.
Inzwischen aber sind die Spenden so zurückgegangen, dass er fallweise mit seinem privaten Geld Transporte finanziert und manchmal nicht recht weiß, wie es weitergehen wird.

Sein Freund Vitali, Militärkaplan, sagt ihm, dass er und seine HelferInnen die gebrachten Lebensmittel des Vereins für weltweite Nothilfe in zehn Siedlungen verteilen, mehr als 5000 Menschen konnten sie seit über einem Jahr helfen – das ist die aktuelle Hilfe direkt im Donbass für die Frontdörfer, insgesamt gingen seit dem 24.2.22 vom Verein für weltweite Nothilfe 24 40-Tonner mit humanitärer Hilfe und fast 90 Minibusse mit Lebensmittel in die Ukraine.
Irgendjemandem gelang es sogar, Lebensmittel in die besetzten Gebiete zu bringen. Welika Novosilka liegt ca 100 Kilometer von Donezk entfernt, nordöstlich von Mariupol. Mariupol liegt am Asowschen Meer. Zur Siedlungsgemeinde von Welika Novosilka gehören aus den Medien bekannte Orte wie Andrijiwka, Staromajorske, Makariwka, Schewtschenko, Slowjanka, Uroschajne.
Anfang August war Jachan wieder in Welika Novosilka. Eine Frau, seit langem im Keller, erzählt ihm: Welika Novosilka ist eine griechische Siedlung. Es ist, normalerweise, so schön wie in Griechenland. Nach dem Krieg muss er unbedingt auf Urlaub kommen! Schon allein wegen dem köstlichen griechischen Essen.
Und dann sagt sie: Irgendwer muss hier bleiben. Wir überlassen unsere Heimat nicht den Russen.....
Jachan zeigt auf Facebook ein kurzes Video mit der Frau, die sehr alt ist, rundherum Zerstörung, die Front sechs Kilometer entfernt, Geräusch von Beschuss.

Auf einer langen Mauer ist mit himmelblauer Farbe geschrieben: „Velika Novosilka ze Ukraina![53]
Daneben ist die blau-gelbe Flagge aufgemalt.

Ein alter Mann bedankt sich bei ihm, sagt: Danke! Die, die den Krieg nicht gesehen haben, können es nicht verstehen
Jachan: Das ist doch normal, wir sind eine Familie, wir sind Europa
Mann: Ja, wir sind Europa

Am 7.8. postet er:
Wir suchen zwei Kleinbusse, ab Bj 2000, in gutem Zustand (e.g. Sprinter, Crafter, Renault trafic) plus jede Menge Reserveräder und Reifen, für Hilfsgütertransporte und Personentransporte direkt an der Front im Donbass

18.8.2023
Ich werde immer gefragt, warum wir noch helfen, wo dieser Krieg doch schon so lange dauert, ob wir Hilfe hier nicht als sinnlos erachten?
[…] Es gibt tausende Beispiele, die zeigen, wie "Russische Befreiung" aussieht. Viele davon können wir bezeugen.
Wenn ich gefragt werde, ob wir Hilfe hier nicht als sinnlos erachten, dann gibt es nur eine Antwort:
" Wenn wir unsere humanitäre Hilfe jetzt einstellen, dann hätten wir damit erst gar nicht beginnen brauchen.
WIR MACHEN WEITER - EGAL, WIE LANGE ES DAUERT UND WAS ES KOSTET.
WIR LASSEN NIEMANDEN IM STICH!!!!
Слава Україні!

Bitte unterstützen Sie:

"Verein für weltweite Nothilfe"
IBAN: AT95 3242 6000 0091 3863
BIC: RLNWATWW426
oder via paypal an jacgeo@gmx.net

 

Literatur

Oksana Stavrou: Russlands Krieg gegen die Ukraine: Fakten und Perspektiven. Wien: Juli 2023. Russlands-Krieg-gegen-die-Ukraine-Fakten-und-Perspektiven-oksana-stavrou-2023-07.pdf
Martin Pollack: Abducken und Kopfeinziehen. Über die Macht der Lügen. In: Juri Andruchowytsch (Hg.): Euromaidan. Was in der Ukraine auf dem Spiel steht. Berlin: Suhrkamp 2014
Robert Schindel: Gott schütz uns vor den guten Menschen. Jüdisches Gedächtnis – Auskunftsbüro der Angst. Suhrkamp 1995.
Gerd Koenen: Im Widerschein des Krieges. Nachdenken über Russland. München: C.H.Beck 2023
Anne Applebaum: Roter Hunger. Stalins Krieg gegen die Ukraine. Aus dem Englischen von Martin Richter. München: Siedler 2019. Original: Red Famine. Stalin‘s War on Ukraine. New York: Doubleday 2017

 

 

Anmerkungen

  1. ^Schindel 1995:14
  2. ^S. 43. Rezension zum Buch: https://www.fr.de/kultur/literatur/gerd-koenen-im-widerschein-des-krieges-aufbewahren-fuer-kommende-zeiten-92429233.html
  3. ^https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/statement_22_5023
  4. ^Zit. In Applebaum 2019:372
  5. ^Applebaum 2019:379
  6. ^Applebaum 2019:378
  7. ^Appleabaum 2019:418
  8. ^Applebaum 2019:353
  9. ^Applebaum 2019:164
  10. ^Applebaum 2019:233
  11. ^Applebaum 2019:242
  12. ^Applebaum 2019:243
  13. ^Applebaum 2019:248ff
  14. ^Applebaum 2019:290
  15. ^Aussage von Hanna Andriiwna Talantschuk, zit in Applebaum 2019:290
  16. ^Applebaum 2019:334
  17. ^Applebaum 2019:317
  18. ^Applebaum 2019:294
  19. ^Applebaum 2019:259
  20. ^Applebaum 2019:247
  21. ^Applebaum 2019:10
  22. ^Stavrou 2023:30
  23. ^Applebaum 2019:389
  24. ^Applebaum 2019:312
  25. ^Aufnahme von Alexander Wienerberger, Abb. 30., Applebaum 2019
  26. ^Applebaum 2019:414 ff
  27. ^Applebaum 2019:417
  28. ^Zit in Applebaum 2019:411
  29. ^Applebaum 2019:422
  30. ^Zit in Applebaum 2019:401
  31. ^Zit in Applebaum 2019:439
  32. ^Applebaum 2019:13. Seit der russischen Totalinvasion 2022 gilt in militärisch strategischen Bereichen das Militärgeheimnis.
  33. ^Applebaum 2019:15
  34. ^Applebaum 2019:447
  35. ^Applebaum 2019:423
  36. ^Kleine Zeitung, 18.8.23
  37. ^Zit in Applebaum 2019:432
  38. ^Zit in Stavrou 2023:15
  39. ^Zit. In Applebaum 2019:98
  40. ^Zit. In Applebaum 2019:187
  41. ^ebenda
  42. ^Applebaum 2019:425
  43. ^Zit in Applebaum 2019:273
  44. ^https://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fer_Terror_(Sowjetunion)
  45. ^ebenda
  46. ^Koenen 2023:274 und 275
  47. ^https://de.wikipedia.org/wiki/Wjatscheslaw_Michailowitsch_Molotow
  48. ^Youtube: Why Kavita Krishnan quit CPI(ML) Liberation, 12.9.2022 (Übers. S.P.)
  49. ^Pollack 2014:180-182
  50. ^„Z“-Symbole auf Autos geschmiert. Ukrainische Flüchtlinge werden in Österreich attackiert. Merkur, 17.07.23
  51. ^Du brauchst dich nicht wundern, wenn sie dich irgendwann von daheim mit dem Gewehr abholen oder gleich erschlagen.
  52. ^Man müsse seine Ängste hierarchisieren – ein Ausdruck, den ich bei der ukrainischen Feministin Oksana Sabuschko fand.
  53. ^https://www.facebook.com/100009042823006/videos/804590551363946